Berufsunfähigkeitsversicherung Vergleich ist für Selbstständige empfehlenswert

Berufsunfähigkeitsversicherung und Selbstständige – eine schwierige Beziehung?

Die Berufsunfähigkeitsversicherung gilt als wichtigstes Produkt, um das eigene Einkommen abzusichern – kein Produkt wird sowohl von Versicherungsexperten als auch von Verbraucherschützern so oft empfohlen. Und doch schreckten in der Vergangenheit viele Selbstständige vor BU-Produkten zurück. Der Grund der Skepsis war die sogenannte Umorganisationsklausel – kann ein Selbstständiger nach Umorganisation weiterhin in seinem Betrieb arbeiten, kann die Versicherung die BU-Rente verweigern.

Umorganisationsklauseln waren mehrdeutig genug, um lange Rechtsstreitigkeiten zu provozieren – sie sind mitunter genauso tückisch wie die "Abstrakte Verweisung" für Angestellte. Mittlerweile aber haben einige BU-Versicherer reagiert und verbraucherfreundlichere Versicherungsbedingungen entwickelt. Man sollte also nicht aus Angst vor der Umorganisationsklausel auf den wichtigen Schutz verzichten, sondern lieber auf "gute Klauseln" achten. Wir klären auf.

Definiert wird der Begriff der „Berufsunfähigkeit“ über das Versicherungsrecht – genauer: über Paragraph 172 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): „Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.

Man geht also von einer Einschränkung aus, die dauerhaft verhindert, dass der Geschädigte in den Beruf zurückkehren kann (ansonsten nämlich würde es sich um Arbeitsunfähigkeit statt um Berufsunfähigkeit handeln). In der Regel trifft dies auf alle Diagnosen zu, die für mindestens sechs Monate andauern. Zudem muss der Grad der Einschränkung – bezogen auf den zuvor ausgeübten Beruf – mindestens 50 Prozent betragen.

Eine Besonderheit der BU-Versicherung für Selbstständige ist zudem: Auch eine Umorganisation der Aufgaben und Betriebsabläufe darf an der Berufsunfähigkeit nichts zum Positiven ändern. Die Umorganisationsklauseln aber sind von sehr verschiedener Qualität – hier gilt es, gründlich zu vergleichen.

Selbstständige sichern sich in der Regel privat ab und müssen sich deswegen nicht darum kümmern, wie gering das Absicherungsniveau des gesetzlichen Schutzes ist? Ganz so einfach ist es nicht. Denn es besteht für eine doch beachtliche Zahl an Selbstständigen ebenfalls eine Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Versicherungspflichtig in der GRV sind zum Beispiel Handwerker, die in den zulassungspflichtigen Gewerken arbeiten (sogenannte A-Gewerke). Erst nach 18-jähriger Selbstständigkeit können sich diese Handwerker aus der GRV "befreien".

Als besonders schutzbedürftig und damit als versicherungspflichtig in der GRV gelten auch Freiberufler, die nicht verkammert sind – diese müssen sich ebenfalls über die GRV versichern. Das betrifft folgenden Gruppen: Selbstständige Lehrer und Erzieher ohne versicherungspflichtige Arbeitnehmer; selbstständig tätige Pflegepersonen in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege; Krankenpfleger und Krankenpflegehelfer; selbstständig tätige Masseure, sofern sie großteils auf ärztliche Anordnung arbeiten; Hebammen und Entbindungspfleger; Seelotsen im öffentlichen Auftrag.

Ja! Besteht für Selbstständige keine Versicherungspflicht, können sie sich dennoch als freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung versichern. Die Anzahl und die Höhe der Beiträge kann selbst bestimmt werden– entweder der halbe Regelbeitrag (305,97 Euro monatlich in den alten und 292,95 Euro in den neuen Bundesländern) oder der volle Regelbeitrag (611,94 Euro West und 585,90 Euro Ost) oder ein einkommensgerechter Beitrag, der höher oder niedriger ausfallen kann. Bei niedrigen Beiträgen erwirbt man aber auch nur geringe Rentenansprüche.

Dennoch kann ein solcher freiwilliger GRV-Schutz zumindest ein Weg sein, sich auf niedrigem Niveau eine Arbeitskraftabsicherung zu besorgen – durch Erwerb des Anspruchs auf eine Erwerbsminderungsrente. Wer in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung eingezahlt hat, kann die Rente erhalten. Existenzgründer und junge Unternehmer haben zudem die Möglichkeit zu einer Pflichtmitgliedschaft auf Antrag. Jedoch bleibt diese Pflichtmitgliedschaft dann für die gesamte Zeit der Selbstständigkeit bestehen.

Selbstständige würden also auch an den gesetzlichen Erwerbsminderungsschutz kommen – freilich zu der Bedingung, dass sie sich in der gesetzlichen Rentenversicherung versichern müssten. Aber reicht ein solcher Schutz zur Arbeitskraftabsicherung aus? Nein.

Denn die Erwerbsminderungsrente ist eine Absicherung auf sehr geringem Niveau. Wenn maximal drei Stunden täglich gearbeitet werden kann, erhalten Betroffene gerade einmal ca. 40 Prozent des Nettoeinkommens. Bei drei bis sechs Stunden sind es sogar nur noch ca. 20 Prozent. Zudem orientiert sich die Erwerbsminderung nicht am zuvor ausgeübten Beruf.

Das bedeutet: Jeder Beruf muss ausgeübt werden, wenn er für drei Stunden ausgeübt werden kann – auch dann, wenn Status und Einkommen des Berufs wesentlich geringer sind als der zuvor ausgeübte Beruf. Schon die Möglichkeit reicht zum Verweigern der Rente. Bei Berufsuntätigkeit drohen ohne BU-Schutz demnach ungeliebte Berufe. Der Erwerbsminderungsschutz – egal, ob staatlich oder ob aus einer privaten Erwerbsminderungsversicherung – ersetzt keinen Schutz bei Berufsunfähigkeit.

Wenngleich sich die Bedingungen der Verträge unterscheiden können, haben sich hier feste Standards etabliert, von denen nur in Ausnahmefällen abgewichen wird. Als Richtnorm gilt: Die Berufsunfähigkeit muss mindestens 50 Prozent betragen. Für die Dauer gilt in der Regel: Alles, was länger dauert als sechs Monate, wird als „Zustand auf Dauer“ betrachtet und führt damit zum Leistungsfall. Wer also wegen einer Krankheit oder eines Unfalls für die voraussichtliche Dauer von mehr als sechs Monaten mindestens 50 Prozent berufsunfähig ist, erfüllt das Kriterium für eine BU-Rente.

Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, prüft der Versicherer sehr genau anhand der individuellen Gegebenheiten – komplexe Krankheitsbilder müssen mit ihrer Auswirkung auf die Berufsfähigkeit eingeschätzt werden. Hierfür sind Fachgutachten von Ärzten, häufig sogar von Spezialisten bestimmter medizinischer Fachgebiete notwendig. Zudem fallen mitunter Gutachten weiterer Experten sogar für nicht-medizinische Bereiche an. Ob eine Berufsunfähigkeit vorliegt, wird also sehr genau durch die Versicherer geprüft.

Umorgansiationsklauseln besagen: Der Versicherer kann die BU-Rente verweigern, wenn der Betrieb des Selbstständigen sich derart umorganisieren lässt, dass eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt werden kann. Jedoch gibt es Umorganisationsklauseln von ganz unterschiedlicher Qualität. Während sich „schlechte“ Umorganisationsklauseln aufgrund ihrer Vagheit mit der „Abstrakten Verweisung“ für Angestellte vergleichen lassen – sie ermöglichen dem Versicherer leicht, sich aus der Leistungspflicht zu stehlen –, formulieren „gute“ Umorganisationsklauseln konkreter (und ähneln am ehesten der „Konkreten Verweisung“ für Angestellte).

Schlecht oder ungünstig sind Umorganisationsklauseln, die besonders vage sind – und deswegen dem Versicherer einen großen Auslegungsspielraum lassen. So leisten diese Versicherer nicht, wenn die Umorganisation des Betriebs und der neue Tätigkeitsbereich „zumutbar“ sind (was aber bedeutet "zumutbar" konkret?); die Umorganisation kann gefordert werden, wenn sie "wirtschaftlich zweckmäßig" ist (aber wann ist etwas "wirtschaftlich zweckmäßig"?); die Umorganisation kann gefordert werden, wenn sie keinen "erheblichen" Kapitalaufwand erfordert (ab wann gilt dem Versicherer ein Kapitalaufwand als "erheblich"?). Solche Klauseln führen dazu, dass sich Versicherer schnell aus der Leistungspflicht stehlen können oder dass lange Rechtsstreitigkeiten drohen – wenn man derart erkrankt ist, dass man einen BU-Antrag stellt, kann das schnell in die existenzielle Krise führen.

Einige Anbieter verzichten mittlerweile ganz auf die Forderung nach Umorganisation, sobald der Betrieb weniger als fünf Mitarbeiter hat. Solche Verträge können sich für Selbstständige lohnen, die kleine Unternehmen oder Kleinstbetriebe führen.

Bei Umorganisationsklauseln ist es wie bei der Verweisung für Angestellte: Sie sollten so konkret sein, dass genau ersichtlich wird, wann eine Umorganisation gefordert werden kann und wann nicht. Der BU-Experte Matthias Helberg zitiert auf seiner Webseite folgendes Beispiel einer empfehlenswerten Klausel im Sinne des Kunden:

„Die neue Tätigkeit und die Umorganisation des Betriebs sind zumutbar, wenn Folgendes gilt: Die neue Tätigkeit geht nicht zu Lasten der Gesundheit des Versicherten und das jährliche Bruttoeinkommen beträgt mehr als 80 % des jährlichen Bruttoeinkommens im zuletzt ausgeübten Beruf. Statt des jährlichen Bruttoeinkommens ist bei Selbständigen der Gewinn vor Steuern entscheidend.“

Die Gesundheitsfragen sind die große Hürde vor Abschluss der BU-Police. Es gehört zu den Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, vor Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung diese Gesundheitsfragen nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Antwortet ein Versicherungsnehmer nicht nach bestem Kenntnisstand, drohen ernste Folgen.

So darf der Versicherer in diesen Fällen zum Beispiel vom Vertrag zurücktreten – im schlimmsten Fall verliert der Versicherungsnehmer trotz langjähriger Zahlungen den Versicherungsschutz und damit den Anspruch auf Leistungen. Auch ermöglicht das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) eine rückwirkende Vertragsanpassung, die ebenfalls einen Verlust des Leistungsanspruchs für bestimmte Risiken bedeuten kann. Oder der Versicherer schließt wichtige Risiken vom Versicherungsschutz aus, sobald ihm bekannt wurde, ein Versicherungsnehmer hat nicht wahrheitsgemäß geantwortet.

Wie ernst die Gefahr einer „vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung“ zu nehmen ist, zeigt ein Tipp von Experten: Um sich mit dem Versicherungsschutz wirklich „sicher“ zu sein, sollte ein Versicherungsnehmer seine Krankenakte sehr gründlich recherchieren, in der Regel für den Zeitraum der zurückliegenden fünf Jahre. Denn jeder verschwiegene Arztbesuch könnte sich am Ende nachteilig für den Leistungsfall auswirken.

Ein Tipp ist hier besonders beachtenswert für all jene, die um ihre Vorerkrankungen wissen: Erste Kontakte zu den Versicherern sollten als anonyme Voranfrage geschehen – also ohne dass der Name des Antragstellers genannt wird. Wer bei einem Versicherer abgelehnt wird, muss nämlich fürchten, in der HIS-Auskunftei der Versicherungsbranche zu landen: eine Art schwarze Liste ähnlich der Schufa, in der Kunden mit Auffälligkeiten eingetragen werden. Alle Versicherer haben darauf Zugriff. Das erschwert einen Abschluss bei einem anderen Wettbewerber zusätzlich, wenn man schon von einem Versicherer abgelehnt wurde.

Regelmäßig haben Versicherer auch Aktionstarife mit vereinfachten Gesundheitsfragen. Diese haben jedoch meist nur eine begrenzte Rentenhöhe. Oft sind das monatliche BU-Renten in Höhe von 1.000 bis 1.500 Euro.

Die Arbeitsunfähigkeitsklausel ist ein Zusatzbaustein der Berufsunfähigkeitsversicherung: Wenn nach sechs Monaten noch keine BU-Rente bewilligt ist, leistet der Versicherer dennoch eine Rente – für Arbeitsunfähigkeit. Die Dauer der Zahlung variiert, je nach Tarif, zwischen 18 und 36 Monaten. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Beruf nach medizinischem Befund vorübergehend nicht ausgeführt werden kann. Man nimmt also zugleich an, dass der Beruf nach einer Zeit der Genesung wieder aufgenommen wird.

Unbedingt. Denn schon eine einfache BU-Prüfung dauert im Schnitt 183 Tage, sie kann aber auch länger dauern. Müssen doch Gutachten von Ärzten zur Prüfung der Berufsunfähigkeit eingeholt werden, häufig sogar von Spezialisten bestimmter medizinischer Fachgebiete. In dieser Zeit der Prüfung aber besteht noch kein Anspruch auf eine BU-Rente. Besonders Selbstständige sind gefährdet, in so einer Situation ganz ohne Absicherung dazustehen. Hinzu kommt: Vielleicht ergibt die BU-Prüfung, dass die oder der Betroffene trotz langer Krankschreibung gar nicht berufsunfähig ist, weil die 50 Prozent Einschränkung nicht erfüllt werden?

In solchen Situationen würde zumindest ein Schutz durch die Arbeitsunfähigkeitsversicherung bestehen: Hier nämlich wird schon bei einem Attest eine Rente geleistet, das einer Krankschreibung für Angestellte vergleichbar ist – die Arbeitsunfähigkeit ist wesentlich leichter nachzuweisen als die Berufsunfähigkeit. Jedoch sollte man genau in die Verträge schauen, was für ein Nachweis von Selbstständigen gefordert wird.

Wichtig ist: Viele Vertragsbedingungen von BU-Versicherungen fordern als AU-Nachweis die Krankschreibung für Angestellte – die Bescheinigung nach Paragraf 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG). Das Problem aber ist: Diese können Selbstständige gar nicht erhalten. Deswegen haben einige Versicherer die eine ergänzende Klausel, zum Beispiel die Formulierung: „Wenn die versicherte Person kein Arbeitnehmer ist, genügt ein entsprechendes fachärztliches Attest.“ Nur solche Policen mit ergänzender Klausel für Selbstständige sollten durch Selbstständige abgeschlossen werden. Fehlt die Ergänzung, könnte es im schlimmsten Fall für Selbstständige keine Leistung geben.

Vorsichtig sollten zudem Menschen sein, die bereits eine private Krankentagegeld-Versicherung abgeschlossen haben oder eine solche abschließen wollen. In den Bedingungen wird regelmäßig vereinbart, dass der Neuabschluss einer weiteren oder die Erhöhung einer anderweitig bestehenden Versicherung mit Anspruch auf Krankentagegeld nur mit Einwilligung des KTG-Versicherers vorgenommen werden darf. Außerdem begrenzen KTG-Versicherer die Höhe des Krankentagegelds (zusammen mit sonstigen Krankentage- und Krankengeldern) auf das auf den Kalendertag umgerechnete Nettoeinkommen. Dabei lassen sie offen, ob Leistungen aus der AU-Klausel einer BU-Versicherung auch als „sonstiges Krankentagegeld“ betrachtet werden.

Anzeige