Nr. 4 | Körperverletzung im Affekt reicht nicht für die Entziehung des Pflichtteils
Nr. 4 | Körperverletzung im Affekt reicht nicht für die Entziehung des PflichtteilsUm einem gesetzlichen Erben den Pflichtteil wirksam entziehen zu können, müssen Erblasser sowohl formal als auch inhaltlich hohe Hürden überwinden. So kann eine körperliche Auseinandersetzung nur dann zum Pflichtteilsentzug führen, wenn es sich um ein schweres Vergehen gegen den Erblasser gehandelt hat. Das hat das Landgericht Frankenthal im Fall eines 1997 in einem notariellen Erbvertrag enterbten Sohnes entschieden. Als Begründung hatten die Eltern angegeben, dass der Sohn seine Mutter ein Jahr zuvor mehrfach geschlagen und sie hierbei eine Schädelprellung erlitten habe. Diese Pflichtteilsentziehung wollte der Mann nach dem Tode der Mutter nicht akzeptieren und klagte gegen eine als Erbin eingesetzte soziale Einrichtung. Nach Ansicht der Kammer war die Entziehung des Pflichtteils im Erbvertrag bereits aus formalen Gründen unwirksam. Um zu verhindern, dass nachträglich weitere Gründe nachgeschoben werden, müsse das maßgebliche Fehlverhalten des Erben bereits im Testament eindeutig geschildert sein. Hier sei aber gerade nicht festgehalten worden, welche Hintergründe zu der Auseinandersetzung geführt und welche Folgen dies gehabt habe. Da der Streit im Gerichtsverfahren zudem nicht aufgeklärt werden konnte, bleibe es denkbar, dass sich die Körperverletzung bei einem spontanen Streit oder im Affekt zugetragen habe. Dies rechtfertige nicht zwingend eine Pflichtteilsentziehung, denn nur ein schweres Vergehen gegen den Erblasser könne zum Verlust des Pflichtteils führen. Ein solches schweres Vergehen gegen die Mutter hätte der bedachte Verein aber nachweisen müssen. Zudem ging das Gericht davon aus, dass der angebliche Vorfall aus 1996 nicht der Hauptgrund für die Pflichtteilentziehung gewesen sei. Es sei, so das Gericht, eher davon auszugehen, dass die Eltern mit dem Lebenswandel ihres Sohnes nicht mehr einverstanden gewesen seien. Dies rechtfertige es jedoch nicht, dem Sohn seinen verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Erbes zu entziehen. Quelle: Landgericht Frankenthal, Urteil vom 11.03.2021, Az.: 8 O 308/20 Nr. 5 | Enkel beklaut Oma – Pflichtteilsentzug rechtens Der Diebstahl von Bargeld rechtfertigt die Entziehung des Pflichtteils wegen schweren vorsätzlichen Vergehens. Das hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden. Der Enkel hatte seiner Oma 1992 insgesamt 6.100 DM gestohlen und war dafür zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50 DM verurteilt worden. Die Großmutter entzog dem Enkel daraufhin mittels eines Erbvertrags den Pflichtteil. Nachdem die Großmutter im Jahr 2014 verstorben war, beanspruchte der Enkel gleichwohl seinen Pflichtteil. Nein, sagte das Oberlandesgericht Stuttgart. Es handele sich bei der Tat um ein schweres vorsätzliches Vergehen. Das verdeutliche allein schon die dafür verhängte Geldstrafe von 100 Tagessätzen und damit in einer Höhe, die sogar einen Eintrag in ein allgemeines Führungszeugnis zur Folge hatte. Zudem stelle die Bargeldsumme von 6.100 DM nach den gewöhnlichen Umständen im Jahr 1992 einen jedenfalls nicht unerheblichen Vermögenswert dar. Dies gelte zumindest für die beklaute Oma, die ohne Schul- und Berufsausbildung war und bei der sich die eigenen Erwerbsmöglichkeiten schon von daher in engen Grenzen hielten. Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 24.01.2019, Az.: 19 U 80/18Bru-nO / pixabay