Versicherer und Klimaschutz - immer noch ein weiter Weg
Regine Richter, Versicherungs-Campaignerin bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald, berichtet in ihrem Kommentar aus Sicht der Umweltaktivisten, ob und wie die Versicherungswirtschaft den ökologischen Wandel begleitet - und ob sich hierbei Fortschritte zeigen.
- Versicherer und Klimaschutz - immer noch ein weiter Weg
- Öl und Gas: Ausschlüsse fehlen noch
Versicherer sind lange unter dem Radar von Umweltaktivist*innen geflogen; im Gegensatz zu Banken, die schon viele Jahre im Zentrum der Kritik stehen. Dabei ist die Rolle von Versicherern für die fossile Industrie sehr bedeutend. Nur mithilfe von Versicherungen können fossile Unternehmen Kohleminen, Kohle- und Gaskraftwerke, Öl- und Gasförderung sowie Pipelines und Flüssiggasterminals errichten und betreiben - und so die Klimakrise befeuern. Da es deutlich weniger Versicherer als Banken gibt, haben Einschränkungen beim Versicherungsangebot starke Auswirkungen auf die Realisierbarkeit von fossilen Projekten.
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Gleichzeitig verstehen Versicherungsunternehmen - und ganz besonders Rückversicherer - das Risiko, das von der Klimakrise ausgeht, besser als andere. Schließlich müssen sie für damit verbundene Schäden zahlen. Munich Re berichtete im Januar 2024, dass die versicherten Schäden aus „Naturkatastrophen“ im Jahr 2023 mit 95 Milliarden USD zwar unter den durchschnittlichen Schäden der letzten fünf Jahre lagen, aber deutlich über dem 10-Jahresdurchschnitt in Höhe von 90 Milliarden USD. Die globalen Gesamtschäden lagen mit 250 Milliarden US-Dollar noch weit darüber.
Ein erschreckender Trend in diesem Zusammenhang: In den USA ziehen sich bereits Versicherer in besonders Waldbrand-, Überschwemmungs- oder Hurrikan-gefährdeten Gebieten aus der Versicherung von Häusern zurück; oder sie erhöhen enorm ihre Prämien. Gleichzeitig versichern sie weiterhin fossile Projekte und fossile Unternehmen als Mitverursacher solcher immer heftigeren Klimakatastrophen.
Viel Druck für mehr Klimaschutz
Die europäischen Versicherer zeigen da schon mehr Problembewusstsein: Sämtliche großen Industrieversicherer aus Europa haben eine Beteiligung am Neubau von Kohlekraftwerken und -minen ausgeschlossen - mit Ausnahme des Versicherungsmarkts Lloyds of London, wo immer noch viele spezialisierte Syndikate alle Energieprojekte absichern, die das fossile Herz begehrt.
Viel Druck für mehr Klimaschutz kam in den vergangenen Jahren aus der Zivilgesellschaft. Seit 2017 besteht das internationale Kampagnen-Netzwerk „Insure our Future“, zu dem auch urgewald gehört. Dieses hat mit zahlreichen Gesprächen, Studien und Aktionen internationale Versicherer zum Handeln gedrängt.
Die Bilanz: Stand November 2023 haben 45 Versicherer weltweit die Versicherung von Kohle beendet oder eingeschränkt (auf Projektebene, teilweise auch auf Unternehmensebene). 26 schließen die besonders schmutzige Teersandförderung aus. Und 18 haben Richtlinien, die eine Absicherung neuer Öl- und Gasfelder ausschließen. Dazu gehören die deutschen Versicherer Allianz, Talanx mit seiner Tochter HDI sowie die Rückversicherer Munich Re und Hannover Re.
Mit Blick auf die Weltkarte gab es bei den europäischen Versicherern bisher die größten Fortschritte im Klimabereich. Unternehmen aus den USA, Japan oder Südkorea reagieren im Vergleich dazu noch sehr ignorant. Aber immerhin: Nach Druck von Nichtregierungsorganisationen haben auch japanische, südkoreanische und einige US-Unternehmen ihre Angebote im Kohlesektor eingeschränkt - weniger ehrgeizig als in Europa, aber immerhin ein Anfang.
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Wichtig dabei ist: Solche Ausschlüsse werden nicht einfach von anderen Anbietern aufgefangen. Bei Kohlekraftwerken bestätigen Broker, Wirtschaftsprüfer und die Kohleunternehmen selbst bereits einen Effekt der Einschränkung des Versicherungsangebots. KPMG etwa konstatierte, dass es für Kohleprojekte inzwischen schwieriger wird, Versicherungen zu bekommen, weil diese teurer sind als früher, mit höheren Auflagen versehen sind bzw. teils gar nicht mehr angeboten werden. Der Broker Willis Towers Watson bestätigte bereits 2019, der Rückzug der Versicherer führe dazu, dass Kohlekraftwerksbetreiber auf viel weniger Anbieter zurückgreifen können und damit gegenüber grüneren Alternativen ins Hintertreffen geraten.
Öl und Gas: Ausschlüsse fehlen noch
Versicherungsbranche noch weit entfernt von einem 1,5°C-Pfad - führt ihre Geschäfte also bei weitem noch nicht in Übereinstimmung mit den Pariser Klimazielen. Noch zu kleine Schritte sind etwa die deutschen Versicherer Allianz, Munich Re, HDI/Talanx und Hannover Re gegangen. Sie haben die Versicherung für die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder und den Bau neuer Ölinfrastruktur ausgeschlossen. Damit stehen sie in diesem Feld international gut da. Ihnen - wie auch der gesamten Branche - fehlen jedoch nach wie vor Ausschlüsse für die Versicherung von Gasinfrastruktur. Zudem erhalten immer noch auch solche Öl- und Gasunternehmen eine Versicherung, die neue Öl- und Gasfelder planen und realisieren - sich also auf einem klimazerstörerischen Expansionskurs befinden.
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Deshalb wundert es nicht, dass auch die vier genannten deutschen Versicherer im vergangenen Jahr immer wieder auf öffentlich gewordenen Versicherungszertifikaten für Öl- und Gasunternehmen und deren Projekte auftauchen. Zuletzt enthüllte ein Bericht der US-Organisationen Rainforest Action Network und Public Citizen die Rolle der Versicherer beim massiven Ausbau der Flüssiggasinfrastruktur in den USA. Diese - auch durch Allianz, HDI, Munich Re und Hannover Re - versicherten Flüssiggasterminals sind Klimakiller. Sie stehen darüber hinaus wegen ihrer negativen Folgen für die Gesundheit der lokalen Bevölkerung und die Umwelt in betroffenen Gebieten in der Kritik. Dies erkannte auch US-Präsident Biden an, der Ende Januar ein Moratorium für die Genehmigung von LNG-Exporten ausrief.
Die in der Recherche gefundenen Beteiligungen von Allianz, HDI, Munich Re und Hannover Re zeigen, dass auch im Branchenvergleich fortschrittliche Versicherer beim Klimaschutz noch einen weiten Weg vor sich haben. Sie müssen endlich aufhören, den Bau neuer fossiler Infrastruktur wie Pipelines, Flüssiggasterminals oder Gaskraftwerke weiter mit ihren Geschäften zu ermöglichen. Denn bei Gas gilt, ähnlich wie bei Kohle: Die fossile Branche wird immer versuchen, neue Kraftwerke oder Export-Infrastruktur mit frischem Brennstoff zu füllen, so dass immer neue Gasfelder erschlossen werden. Mit diesem fossilen Kreislauf treiben uns beteiligte Unternehmen immer tiefer hinein in die Klimakrise.
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Es ist an den Versicherern, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Ohne Versicherungen: kein neues Gaskraftwerk, kein neues Flüssiggasterminal, keine neue Pipeline.
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- Öl und Gas: Ausschlüsse fehlen noch